Vorbemerkung zur Zuständigkeit

Eine Dipens ist hier eine "Befreiung" von einem Ehehindernis. Man braucht eine solche Dispens bei Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft, geistlicher Verwandtschaft, Mangel an öffentlicher Ehrbarkeit, Befreiung von den normal 3 Verkündigungen oder Heirat in der geschlossenen Zeit ( Fasten- und Adventszeit). Dispensen wurden je nach ihrer Bedeutung vom Ortspfarrer oder vom Bischof - delegiert an den Generalvikar - erteilt.
Hier geht es um das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft.

Blutsverwandschaft als Ehehindernis im katholischen Kirchenrecht

Der Codex Iuris Canonici (CIC) ist das Gesetzbuch der katholischen Kirche. Nach diesem gehören die Blutsverwandtschaften zu den Ehehindernissen.
CIC (1983) Canon 1091:
§ 1. In der geraden Linie der Blutsverwandtschaft ist die Ehe ungültig zwischen allen Vorfahren und Nachkommen, ob ehelichen oder nichtehelichen.
§ 2. In der Seitenlinie ist die Ehe ungültig bis zum vierten Grad einschließlich.

Weitere Voraussetzungen für Trauungen (Ehehindernisse) in Preußen im 19. Jahrhundert finden Sie hier.

1.Katholisches Kirchenrecht bis 1983

Bis 1983 wurde im Kirchenrecht (auf Basis des CIC von 1917) gemäß des germanischen Rechts gezählt!
Der Verwandtschaftsgrad wird durch Zählung der Generationen auf den ersten gemeinsamen Stammvater bestimmt bzw. der Anzahl der Zeugungen zwischen diesen Personen.

Hierzu ein 1. Beispiel (Bild 1): In welchem Grad sind Sohn A und Vater B blutsverwandt?

    Bild 1                ___ Urgrossvater __
    |    
Gross-
vater A
    |    
Gross-
vater B
    |    
Vater A
    |    
Vater B
    |    
Sohn A

Antwort: Der 1. gemeinsame Stammvater ist im Beispiel der Urgroßvater.
Für Sohn A ist der Stammvater drei Generationen entfernt, also sind diese im 3. Grad blutsverwandt.
Für die zweite Person (Vater B) ist der Stammvater nur zwei Generationen entfernt. Entsprechend ist Vater B mit dem Stammvater (hier Urgroßvater) im 2. Grad blutsverwandt.
Ergebnis: Sohn A und Vater B sind in der Seitenlinie im 2. und 3. Grad blutsverwandt.

2. Seit 1983 gültiges Kirchenrecht

In seiner derzeit gültigen Fassung trat der CIC am 1. Adventssonntag 1983 in Kraft.
Da sich die römische Zählung außerhalb des Kirchenrechtes allgemein durchgesetzt hatte, hat der aktuelle CIC auch diese Zählweise übernommen.
Das Bürgerlichen Gesetzbuch in Deutschland (BGB) folgt schon länger dem römischen Recht:

BGB § 1589: Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Und:

BGB § 1590: Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grad der sie vermittelnden Verwandtschaft.

In der geraden Linie hat sich im CIC 1983 die Zählung der Grade gegenüber der bisherigen nicht geändert. Von der geraden Linie spricht man nur, wenn die Verwandtschaftsbeziehung in einer Geraden verläuft (Sohn-Vater-Großvater-Urgroßvater).

CIC (1983), Canon 108:
§ 1. Blutsverwandtschaft wird berechnet nach Linien und Graden.
§ 2. In der geraden Linie gibt es so viele Grade wie Zeugungen zwischen den Personen bzw. wie Personen, nach Abzug des Stammhauptes.
§ 3. In der Seitenlinie gibt es so viele Grade wie Personen in beiden Linien zusammen, nach Abzug des Stammhauptes.

2. Beispiel: In welchem Grad sind Urgroßvater und Sohn A nach Bild 1 verwandt?
Antwort: In gerader Linie im 3. Grad, weil 3 Geburten dazwischen liegen.


Zählung bei Seitenlinien:

Diese erfolgt nun abweichend vom alten Recht: Canon (1983) 108:
§ 3. In der Seitenlinie gibt es so viele Grade wie Personen in beiden Linien zusammen, nach Abzug des Stammhauptes.

Ein 3. Beispiel (vgl. Bild 1): In welchem Grad sind Sohn A und Vater B verwandt?

Antwort: Sechs Personen minus Stammhaupt (hier Urgroßvater), damit sind Sohn A und Vater B im 5. Grad in der Seitenlinie verwandt.

Dispens

Brautpaare, denen eigentlich wegen Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie die Ehe nicht erlaubt ist, können in Fällen des 3. und/oder 4. Grades in der Seitenlinie einen Dispens (kirchliche Erlaubnis) erhalten, vgl.
Canon 1078 (1): Der Ortsordinarius kann die eigenen Untergebenen ... sowie alle Personen, die sich augenblicklich in seinem Gebiet aufhalten, von allen Hindernissen des kirchlichen Rechtes dispensieren; ... .

Dagegen Canon 1078 (3): Vom Hindernis der Blutsverwandtschaft in der geraden Linie oder im zweiten Grad der Seitenlinie gibt es niemals Dispens. So auch Canon 1091 (4).

Der 1.-2. Grad, der zwischen Onkel und Nichte vorliegt: Wenn auch nur bei einem der beiden Brautleute der zweite Grad der Blutsverwandtschaft gegeben war, musste paepstliche Dispens eingeholt werden.

Dipensen sind immer mit einer Gebühr belastet, die allerdings bei Armut erlassen werden konnten.
Bischöfliche Ehedispense findet man in den Akten bzw. Protokollen des jeweiligen Generalvikariates.
Sie enthalten oft ganze Genealogien der Brautleute.

Hinweis: Schwägerschaft

Schwägerschaft besteht zwischen einem verwitweten Brautteil und den Blutsverwandten des verstorbenen Ehepartners, zu denen der andere Brautteil gehört. Dispensiert wird vom 1. Grad der Schwägerschaft an.

Hinweis: Geistliche Verwandtschaft

In den gedruckten Kölner Generalvikariatsprotokollen heißt es zur Dispens vom Hindernis der geistlichen Verwandtschaft, dass sie zwischen dem Taufpaten einerseits und dem Täufling und dessen Eltern andererseits besteht. "Häufiger Fall: Ein Mann (oder eine Frau) will eine Person heiraten, bei dessen Kind er (oder sie) Pate war."

Hinweis: Mangel an öffentlicher Ehrbarkeit

Hierunter versteht man Fehler in der religiösen oder sittlichen Lebensführung eines oder beider Brautleute. Nicht bewertet wird hierunter dagegen voreheliches Zusammenleben, es gilt sogar als Begründung eines Dispens, um eine bestehende Situation zu sanieren.


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Letzte Änderung am 17. Februar 2019.   ©   Dr. Claus Christoph, Hemmingen