Wann wurden in den Dörfern Mittelschlesiens die Familiennamen fest?

Auf diese besondere Frage zu den Dörfern Mittelschlesiens gibt die Literatur zur Namensforschung nur grobe Anhaltspunkte. Die Bücher von Bahlow [Bahlow] sind dazu kaum zu verwenden. Kunze [Kunze] äußert sich auch nur recht summarisch mit einer Zeitspanne von vier Jahrhunderten: „S. 61: Am Oberrhein führen schon im 14. Jahrhundert viele Bauern Familiennamen, andere ländliche Gegenden schließen die Familiennamen-Gebung erst im 17./18. Jahrhundert ab. ... In der ländlichen Umgebung von Hildesheim sind zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch 50% der Einwohner einnamig, in der Stadt um 1400 immerhin noch viele Handwerker.“

Meine Untersuchung

Deshalb habe ich die Urkunden und Regesten - knappe Zusammenfassungen des Rechtsinhalts von Urkunden mit Erwähnung u. a. der Personennamen – in dem Buch „Quellen zur Geschichte des Neisser Bistumslandes auf Grund der drei ältesten Neisser Lagerbücher“ von Kurt Engelbert [Engelbert] auf obige Fragestellung geprüft. Die in dem Buch wiedergegebenen Regesten beschäftigen sich primär mit Rechtsgeschäften des Bischofs in Angelegenheiten der Kirche und nur zum kleineren Teil mit Geschäften unter Beteiligung der Dorfbewohner. Deshalb werden nur seltener Familiennamen von Landbewohnern genannt. Die fast 1.400 Urkunden und Regesten verteilen sich auf die Zeitspanne vom Jahr 1263 bis 1412.

Wie steht es dort um die ländlichen Familiennamen?

  • Bereits die Urkunde vom 1. Juni 1296 - 2. Urkunde des Buches - nennt einen Lokator: Dithmarus, Duringus genannt. . . Hier wird der 2. Name mit "genannt" noch ausdrücklich als Beiname, noch nicht als Familienname, gekennzeichnet.
  • Die Bürger der Städte tragen bereits stets einen Familiennamen, hier ab der 4. Urkunde (30.1.1307): Gerard Werkmeister, Bürger in Neisse.
  • Oft ist unklar, ob der Genannte ein Ritter, Bürger oder Landmann war: Am 15.9.1359 kauft Ulrich Schenke ein halbes Dorf, war also wohl kein Bauer.
  • Lange noch benutzten die Schreiber für Personen auf dem Land die tradierten Funktions-Bezeichnungen: Johann, der Scholz oder Petrus, der Müller.
  • Spätestens im Jahr 1390 – Urkunde Nr. 1355 ff – tragen die Dorfbewohner eindeutige Zunamen: ... und den Bauern Christianus Malic, Petrus Gamba ... , Nicolaus Ermeler ... , Matheus Mascha, Woytko Advocatus und Martinus Lada des Dorfes Schützendorf Kreis Grottkau ... .

    Auf Grund dieser Urkunden darf man davon ausgehen, dass die Landbewohner im Neisser Bischofsland vor der Mitte des 14. Jahrhunderts noch nicht, aber an dessen Ende - im Jahr 1400 - feste Familiennamen trugen.
    Abhängig Beschäftigte, die an niemanden Abgaben zahlen mussten, etwa Knechte, Diener, Hirten, Mägde, hatten aber noch lange, hundert Jahre und mehr, keine Familiennamen.

    Quellennachweis:

    Bahlow, H.: Schlesisches Namenbuch. 1953.
    Bahlow, H.: Mittelhochdeutsches Namenbuch nach schlesischen Quellen. 1975.
    Engelbert, Kurt: Quellen zur Geschichte des Neisser Bistumslandes auf Grund der drei ältesten Neisser Lagerbücher. 1964.
    Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenskunde. 1998.


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    Letzte Änderung am 24. Oktober 2010.   ©   Dr. Claus Christoph, Hemmingen